Warum eine unkontrollierte Ausbreitung von Kreuzkräutern verhindern?

JKK-Massenvorkommen auf Naturschutzflächen in Schleswig-Holstein. Foto: © Christoph Lamp
JKK-Massenvorkommen auf Naturschutzflächen in Schleswig-Holstein. Foto: © Christoph Lamp

Selten genannte Gründe für die invasive Ausbreitung von Kreuzkräutern:

  • Kreuzkraut tritt insbesondere dort in Massen auf, wo die Natur nicht in Ordnung ist. Jakobskreuzkraut, aber beispielsweise auch das Raukenblättrige Kreuzkraut, sind Zeigerpflanzen für gestörte Standorte. Sie deuten auf "kaputte" Böden hin und werden leider auch durch – eigentlich sehr positive – Nutzungsänderungen wie Extensivierungen und Flächenstilllegungen in ihrer Ausbreitung gefördert. Die anspruchslosen Pionierpflanzen können sich gerade bei ungünstigen Boden-, Nährstoff- und Wasserverhältnissen in Vegetationslücken rasch und in großen Mengen ansiedeln.
  • Kreuzkräuter waren jahrelang deklarierter Bestandteil von Ansaatmischungen, die großflächig beispielsweise auf Stilllegungsflächen oder entlang von Verkehrswegen verwendet wurden. Auch wenn derartige Ansaatmischungen mittlerweile nicht mehr auf dem Markt sein sollten, besteht immer noch die Gefahr von Saatgutverunreinigungen (teilweise keine bzw. nur unzureichende Kontrollen).
  • Die Samen von Kreuzkräutern werden nicht nur durch den Wind verbreitet (Flugsamen), sondern ganz wesentlich auch über Fahrzeuge, Maschinen und Geräte (Haftsamen).
  • Eine Ausbreitung von Kreuzkräutern – auch über große Entfernungen – kann außerdem im Rahmen von Baumaßnahmen über Samen-/wurzelhaltiges Erdmaterial sowie über verunreinigten Sand und Schotter erfolgen.

Schlussfolgerungen:

  • Die schnelle und massive Ausbreitung von Kreuzkraut ist kein „natürlicher“ Vorgang, sondern wird ganz erheblich durch uns Menschen verursacht!
  • Es besteht Handlungsbedarf!
    • Das Risikopotential hinsichtlich Tierhaltung, Tierschutz und Toxintransfer ist die menschliche Nahrungskette ist von wissenschaftlicher Seite klar belegt und unstrittig. Anderweitige Haltungen und Einschätzungen werden i.d.R. aufgrund unzureichender Information getroffen.“ (K. Gehring, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, schriftliche Mitteilung vom 18.09.2014)
    • Die in den Kreuzkräutern enthaltenen Pyrrolizindin-Alkaloide dürfen auf keinen Fall in die Nahrungskette gelangen.“  (T. Addokwei, AELF Regensburg, Vortrag auf der Pflanzenbautagung in Neumarkt am 29.01.2015)
  • Kreuzkräuter können nur dann erfolgreich unter Kontrolle gebracht werden, wenn flächendeckend Maßnahmen erfolgen
    • Landwirte/Tierhalter haben keine Chance, ihre Futterflächen langfristig frei von Kreuzkraut zu halten und die hochgiftigen Pyrrolizidin-Alkaloide gelangen zudem auch über Nicht-Futterflächen in die menschliche Nahrungskette, beispielsweise durch Bienen in den Honig.
    • Aufgrund der invasiven Eigenschaften in Kombination mit der hohen Giftigkeit der Kreuzkräuter sollten sich alle von Kreuzkraut betroffenen Flächenbesitzer/-bewirtschafter verpflichtet fühlen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Das betrifft insbesondere auch die Gemeinde-/Stadtverwaltungen sowie Straßen- und Autobahnmeistereien, aber auch Landschaftspflegeverbände, Naturschutz- u. a. Fachbehörden und deren übergeordnete Fachverwaltungen!
    • Da Kreuzkräuter bei uns in Deutschland bisher keiner Bekämpfungspflicht oder fachrechtlichen Regelungen unterliegen, ist die Beteiligung möglichst aller nur über viel Information und Motivation möglich.
  • Nur wer in der Lage ist Kreuzkräuter sicher zu erkennen, kann gezielt und erfolgreich vorgehen!

Was tun?

  • Kreuzkräuter erkennen: Vermittlung von Pflanzenkenntnissen gewährleisten (Durchführung von bzw. Teilnahme an Schulungen, Abgabe von Bestimmungshilfen)
  • Prävention: Benutzte Fahrzeuge und Geräte nach Einsatz in aussamenden Beständen gut reinigen, um eine Verschleppung von Samen z. B. über Reifen oder Mähwerke (Haftsamen) in bisher unbelastete Gebiete zu verhindern
    • Möglichkeiten: Abwaschen (Hochdruckreiniger), Druckluft (Fahrzeuge und Geräte mit einer Druckluftanlage vor Ort abblasen), Samen vor Ort ab-/ausfegen (weniger effektiv, aber immer noch besser als gar nichts tun)
      Hinweis: Etwas größere Traktoren haben eine Druckluftanlage, die ein Abblasen vor Ort ermöglicht. Die Mähfahrzeuge von Gemeinden, aber auch die von Straßen- und Autobahnmeistereien hingegen haben i.d.R. eine Ölhydraulikanlage, sodass die Möglichkeit des Abblasens vor Ort entfällt.
    • Vorbeugende Maßnahmen sind vergleichsweise einfach und besonders effektiv!
  • Risikominimierung: Vorgaben bei der Ausschreibung von Baumaßnahmen und bei Baugenehmigungen einführen
  • Bekämpfung: Samenreife verhindern – bereits gegen Einzelpflanzen vorgehen!
    • Am wirksamsten und bei Einzelpflanzen/kleineren Beständen die einfachste und sicherste Vorgehensweise: Pflanzen ausreißen bzw. ausstechen – möglichst mit den Wurzeln (geht am besten bei feuchten Bodenverhältnissen)
    • Mahd zu Beginn der Blüte (Jakobskreuzkraut ab Ende Juni, Raukenblättriges Kreuzkraut ab Ende Juli → blüht 4 bis 8 Wochen später als JKK) und nochmals 6 bis 8 Wochen nach dem 1. Schnitt, wenn ca. die Hälfte der neu austreibenden Pflanzen offene Blüten trägt. Nicht zu früh mähen, da dies die vegetative Vermehrung anregt und die Giftigkeit der Pflanzen erhöht! Muss früher gemäht werden, sind mehr Schnitte erforderlich. Nicht vom Mähwerk erfasste Pflanzen ausreißen!
    • Hinweis für Futterproduzenten: Durch alleinige Mahd können Kreuzkräuter in der Regel nicht beseitigt werden und Kreuzkraut-haltiger Aufwuchs sollte keinesfalls verfüttert werden; bei außerbetrieblicher Verwertung etwa von Heu oder Cobs muss der Aufwuchs vollständig frei von Kreuzkraut sein.
    • Nicht nach der Samenreife schneiden, da dadurch die Ausbreitung gefördert wird!
    • Fähigkeit zur Notreife beachten: Blühende Kreuzkräuter können innerhalb von wenigen Stunden Samen bilden und sollten daher immer entfernt werden!
    • Bitte unbedingt beachten: Einige Maßnahmen – beispielsweise zu früh mähen, samende Pflanzen mulchen – sind kontraproduktiv, denn sie die fördern die Ausbreitung von Kreuzkräutern sogar!
    • Das einzige, ausreichend wirksame Herbizid ist Simplex® (Auflagen beachten!). Keine anderen Herbizide einsetzen, da dies die Ausbreitung von Kreuzkräutern indirekt fördert. Gegen Samen im Boden wirkt allerdings auch Simplex® nicht, daher sind immer weitere Maßnahmen erforderlich. → Entwicklung dichter Vegetationsbestände durch Nachsaat, Vermeidung von Verletzungen der Grasnarbe etc.
  • Transport: Beim Transport samender oder in Vollblüte stehender Pflanzen geschlossene Säcke/Behälter verwenden bzw. Ladefläche abdecken (Flugsamen)
  • Entsorgung/Verwertung: sachgerechte Entsorgung im Restmüll oder in Verbrennungsanlage, teilweise ist auch eine Verwertung in Biogas- oder Kompostieranlagen sicher möglich.
    • Biogasanlagen sind besonders bei jungen Pflanzenbeständen eine Option, Risikominimierung durch Silieren; samenhaltiges Material erfordert eine ausreichende Temperatur und Verweilzeit, damit ein vollständiger Verlust der Keimfähigkeit sichergestellt ist.
    • Verwertung in Kompostieranlage (auch über Biotonne): Voraussetzung ist eine hygienisierende Behandlung gemäß Bioabfallverordnung; offene Annahmestellen sind problematisch.
  • Umgang mit verunreinigtem Erdmaterial: Lagerung/Einbau von mit Samen verunreinigtem Bodenaushub auf unbelasteten Flächen vermeiden, sorgfältige Fahrzeugreinigung
  • Nachkontrollen: Einmalige Maßnahmen sind in der Regel nicht ausreichend, da meistens nicht alle Pflanzen beseitigt werden können.
    • Auch wenn alle Pflanzen beseitigt worden sind entwickeln sich neue Pflanzen, falls bereits Samen im Boden vorhanden sind und noch geeignete Keimbedingungen bestehen. → Lichtkeimer (kann nicht in dichten Pflanzenbeständen hochkommen)
    • Konsequentes Ausreißen neuer Kreuzkrautvorkommen → Möglichst kein Kreuzkraut aussamen lassen, da ansonsten alles wieder von vorne beginnt!

Kosten für die Bekämpfung invasiver „Unkräuter“

Abbildung nach Williams PA 1997. Ecology and management of invasive weeds. Conservation Sciences Publication No. 7. Wellington, Department of Conservation
Abbildung nach Williams PA 1997. Ecology and management of invasive weeds. Conservation Sciences Publication No. 7. Wellington, Department of Conservation

 

Grundsätzlich gilt:

  • Je früher mit einer Bekämpfung begonnen wird, desto geringer fallen die Gesamtkosten aus.
  • Am einfachsten, kostengünstigsten und umweltschonendsten sind vorbeugende Maßnahmen.

„Kreuzzug“ gegen das Kreuzkraut im Kreuzfeuer der Kritik – die Politik ist gefordert!

Eine effektive – d.h. frühzeitige und flächendeckende Kontrolle – wird von vielen Vertretern des Naturschutzes abgelehnt. Andere Verwaltungsbereiche nutzen deren Argumente für sich. Daher werden – wenn überhaupt – zu spät Maßnahmen eingeleitet. Das ist die falsche Vorgehensweise!

  • Frühes Handeln ist praktizierter Naturschutz und spart Aufwand und Kosten.
  • Nicht zielführend sind Maßnahmen, die negative Folgen nur verzögern oder sogar verschärfen, wie Mulchen oder häufigere Mahd.
  • Gerade eine manuelle Beseitigung von Kreuzkraut-Erstvorkommen ist im Sinne des Naturschutzes.

Ziel: frühe Schritte in die richtige Richtung erleichtern – Folgeschäden minimieren

  • Vorbeugende Maßnahmen (Prävention) etablieren, beispielsweise eine Bodensanierung vor bzw. im Zuge einer Umwandlung von landwirtschaftlichen Nutzflächen in Naturschutzflächen
  • Kein Kreuzkraut aussäen, auch nicht im Siedlungsbereich → Beispiel: Im Bienenweidepflanzenkatalog Baden-Württembergs wird das Raukenblättrige Kreuzkraut (Senecio erucifolius) immer noch (Stand März 2019) zur Aussaat im Siedlungsbereich empfohlen!
  • Wo zuvor kein Kreuzkraut vorhanden war, sollte auch keines geduldet werden!

Ganz wichtig: Schutz Kreuzkraut-freier Regionen

 

Es ist sinnvoll und notwendig, länderübergreifend fachrechtliche Regelungen zur effektiven Kontrolle von Pflanzen – auch heimischer Arten – einzuführen, die eine Gefahr für Menschen u./o. Tiere darstellen.

  • Kreuzkräuter haben sich in den letzten Jahren – ähnlich wie so manche gefährliche Infektion (z.B. durch multiresistente Krankenhauskeime) von vielen unbemerkt zu einer „Seuche“ entwickelt. Daher sollte schnellstmöglich adäquat gehandelt werden.

Surveillance – Prävention – Früherkennung – sofortiges Handeln – Kontrollen 

Weitere Hinweise und Argumentationshilfen finden Sie unter: Vorträge & Stellungnahmen

Fotos: © Wittgenstein Verlag & Barbara Lattrell